Proteinbedarf bei unterschiedlichen Sportarten und Ernährungsformen

Proteinbedarf bei unterschiedlichen Sportarten und Ernährungsformen

Proteinbedarf in der Allgemeinbevölkerung

Nahrungsproteine dienen als Bausteine für diverse Enzyme, Bindegewebe, Knochen, Haut, Haare und natürlich – für die Muskulatur. Wie hoch der tatsächliche Protein- bzw. Eiweißbedarf des Menschen ist, wird seit Jahren diskutiert. Die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der einzelnen Länder sind dabei relativ ähnlich. So empfiehlt die WHO für gesunde Erwachsene 0,83g Eiweiß pro kg Körpergewicht (g/kg/KG) pro Tag. Allerdings ist dieser Wert als eine Mindestgrenze für Personen mit minimalem bis mäßigem Aktivitätslevel definiert, der bei 97,5% der Bevölkerung nicht zu einem Abbau des Körperproteins führt. Dieser Wert ist also keinesfalls eine Empfehlung für optimale Gesundheit oder optimale Organfunktion, sondern lediglich ein pauschaler Wert, der vor gesundheitlichen Nebenwirkungen bewahren soll. Viele Experten und auch neuere Studien halten diese Werte für zu gering und neuere Empfehlungen raten daher zu einer täglichen Einnahme von 1,0g/kg/KG für Personen mit minimalem, 1,3g/kg/KG für Personen mit mittlerem und 1,6g/kg/KG für Personen mit hohen Aktivitätsniveau.

Eine langfristige Einnahme von ca. 2g/kg/KG/Tag ist für gesunde Personen mit keinerlei gesundheitlichen Nebenwirkungen verbunden.

Der Proteinbedarf im Kraftsport 

Dass die Proteinzufuhr im Kraftsport eine große Rolle spielt, weiß jeder, der sich mit diesem Thema schon einmal beschäftigt hat. Dabei wird immer wieder betont, dass Kraftsportler einen höheren Bedarf an Proteinen aufweisen. Die Meinungen, wie hoch die tägliche Zufuhr denn sein soll, gehen dabei oftmals auseinander. 

Denn wie in vielen Bereichen ist die Antwort wohl ein: „es kommt darauf an“. Menschen betreiben Kraftsport aus unterschiedlichen Motiven heraus. Die Allermeisten streben dabei zwar einen Kraft- bzw. Muskelzuwachs an, jedoch versuchen die Einen, ihr Gewicht dabei zu reduzieren, während Andere eine Gewichtszunahme (bzw. einen maximalen Muskelaufbau – „Bulking“ aka „Massephase“) beabsichtigen. Je nachdem, welches Ziel eine Person verfolgt, muss auch die Proteinzufuhrempfehlung angepasst werden.

Personen, die ihr Gewicht halten oder sogar noch erhöhen wollen, haben dabei einen geringeren Proteinbedarf als Personen, die abnehmen wollen. Ja, richtig gelesen, der Proteinbedarf ist für Personen, die eine Gewichtszunahme anstreben, aus unterschiedlichen Gründen geringer. Für Personen, die sich in der Massephase befinden, konnte demnach gezeigt werden, dass für ein erfolgreiches Krafttraining etwa 1,6g Protein pro Tag pro Kilogramm Körpergewicht optimal erscheinen.

Sinkt die Kalorienaufnehme jedoch soweit, dass es zu einer Körpergewichtsabnahme kommt (also beispielsweise während einer Diät), so steigt auch die Gefahr, dass der Körper das Muskeleiweiß zur Energiegewinnung nutzt und die Muskelmasse somit auf Dauer abnimmt. Um dem entgegen zu wirken, kann eine Steigerung der Proteinzufuhr helfen. Gesunde Personen können mit einer Zufuhr von etwa 2g/kg/KG/Tag dafür sorgen, dass die Muskulatur nicht zusammen mit den Fettpolstern verschwindet oder ermöglichen es damit sogar, dass – je nach Trainingszustand – auch im Kaloriendefizit noch Kraft und Muskelmasse aufgebaut werden kann. 

Proteinbedarf im Ausdauersport

Während im Kraftsport die Rolle von Proteinen weitestgehend bekannt ist, ist über deren Bedeutung im Ausdauersport landläufig nur wenig bekannt. Ausdauersportler*innen legen ihren Fokus oftmals eher auf Kohlenhydrate oder haben sogar Angst, Proteine zu sich zu nehmen, da sie glauben, sie würden damit unnötigen Ballast in Form von träger Muskelmasse aufbauen.
Tatsächlich sind für Ausdauerathleten die Kohlenhydrate als Makronährstoff besonders wichtig.
Denn Kohlenhydrate stellen den präferierten Energielieferanten während ausdauerintensiven Belastungen dar.

Fakt ist aber auch, dass Eiweiß insbesondere für Ausdauerathleten eine sehr wichtige Rolle spielt. Nicht nur muss die strapazierte Muskulatur regeneriert und umgebaut werden, sondern während der oftmals lang andauernden Belastungen werden auch vermehrt Proteine zur Energiegewinnung genutzt und somit unwiederbringlich verbraucht. Bisherige Empfehlungen sprechen sich zwar dafür aus, dass Ausdauerathleten im Gegensatz zur Allgemeinbevölkerung pro kg Körpergewicht am Tag 1,0g bis 1,4g Eiweiß/kg/KG zu sich nehmen sollten, aber reichen diese Werte? 

Neuere Untersuchungen kommen zu dem Ergebnis, dass dies je nach Aktivitätsniveau nicht ausreichend sei. Studien mit aktuelleren Messmethoden sprechen sich für eine Verzehrempfehlung von 1,6g-1,8g/kg/KG/Tag aus. Dabei berücksichtigen diese Empfehlungen stärker als zuvor den unmittelbaren Verlust von Körpereiweißen zur Energiegewinnung (der etwa 0,2g/kg/KG/Tag betragen kann) und beziehen auch ein optimales Leistungsvermögen im Ausdauerbereich mit ein. 

Hierbei ist es wichtig, dass die Eiweißaufnahme nicht auf Kosten der Kohlenhydrate geht und die Faustformel von 6-10g Kohlenhydrate pro kg Körpergewicht pro Tag nicht unterschritten wird.
Findet dies jedoch Beachtung, so bringt die Einnahme von Aminosäuren und Eiweißen insbesondere in zeitlicher Nähe zur Belastung unterschiedliche Vorteile mit sich.

  1. Die Einnahme von Kohlenhydraten in Verbindung mit essentiellen Aminosäuren oder einem Proteingemisch während einer Ausdauerbelastung helfen dabei, ein günstiges anaboles Hormonprofil aufrechtzuerhalten.
  2. Zudem verringert die Einnahme von Proteinen vor oder während der Ausdauereinheit belastungsabhängige Muskelschäden und beschleunigt somit die Regeneration
  3. In einigen Studien zeigte sich zudem eine Leistungsverbesserung insbesondere bei Ausbelastungen, vor denen eine Mahlzeit mit zusätzlichen Protein- oder Aminosäurekomponenten eingenommen wurde.
  4. Die Regeneration und die Wiederauffüllung der Glykogenspeicher werden beschleunigt.

Wie viel Protein kann pro Mahlzeit verwertet werden?

„Der Körper kann pro Mahlzeit maximal 30g Eiweiß verwerten.”
Dieser Mythos scheint nie alt zu werden, denn wo die einen dafür plädieren, dass es ein ‚zu viel‘ an Protein pro Mahlzeit nicht gibt, bleiben die anderen bei dieser ‚magischen‘ Obergrenze.
Doch was ist denn nun richtig?
Im Kontext von Krafttraining und Muskelwachstum scheint bei jungen, gesunden Menschen die Menge von 20-25g qualitativ hochwertigen Proteinen pro Mahlzeit in der Lage zu sein, die Muskeln adäquat mit Eiweiß zu versorgen.
Allerdings können auch größere Mengen weitere Vorteile mit sich bringen. In Studien wurden dabei bis zu 70g Eiweiß pro Mahlzeit ‚serviert‘, mit wachsenden Effekten für den Muskelaufbau. Die Effekte wurden mit steigender Proteinmenge aber immer kleiner. Die Aussage, dass mehr als 30g nichts bringen, kann mit diesen Erkenntnissen aber ganz eindeutig in das Reich der Mythen verbannt werden. 

Aufgrund einer Vielzahl von Studien (in denen so hohe Mengen wie 70g pro Mahlzeit nicht immer stärkere Effekte gezeigt haben, wohl aber Mengen über den ‘magischen 30g’) haben Forscher schließlich eine Faustformel für eine minimale und eine maximale „optimale“ Menge pro Mahlzeit entwickelt (für den Hinterkopf: es geht um eine Ernährung, die den Muskelaufbau unterstützen soll):

Dabei ist die untere optimale Grenze: 0,4g Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht pro Mahlzeit (28g Nahrungsprotein für eine Person mit 70kg Körpergewicht).
Die obere Grenze: 0,55g/kg/KG/Mahlzeit. (39g Nahrungsprotein für eine Person mit 70kg Körpergewicht).

Biologische Wertigkeit und deren Bedeutung

Im obigen Abschnitt haben wir den Begriff „qualitativ hochwertiges Protein“ benutzt. Was ein Nahrungsprotein hochwertig macht, wollen wir nun klären. Neben Qualität von Proteinen liest man auch oft der Begriff „vollständiges Protein“ oder auch den Begriff „Biologische Wertigkeit“.

Von den 21 Aminosäuren, die der Mensch dazu nutzt, Gewebe aufzubauen, sind 9 Aminosäuren essentiell, d.h. sie müssen mit der Nahrung zugeführt werden. Die restlichen 12 Aminosäuren kann der Körper jeweils aus den anderen herstellen – manche besser, manche schlechter. Sowohl der Begriff der „Vollständigkeit“ eines Proteins als auch die Biologische Wertigkeit bezieht sich daher besonders auf diese 9 essentiellen Aminosäuren, die schließlich über die Qualität von Proteinen (für den Menschen) entscheidet. Ein Nahrungsmittel, das alle 9 essentiellen Aminosäuren besitzt, wird als „vollständig“ bezeichnet. Dies trifft allerdings tatsächlich auf nahezu alle natürlichen Lebensmittel zu, wobei einige (insbesondere einige pflanzlichen Nahrungsmittel) nur sehr geringe Mengen einzelner essentieller Aminosäuren enthalten. (Kollagen wäre eine Ausnahme aus der karnivoren Ernährung, hier fehlt die Aminosäure Tryptophan.) Die Biologische Wertigkeit geht daher noch einen Schritt weiter und betrachtet zusätzlich noch das Verhältnis der essentiellen Aminosäuren untereinander. Je näher dieses Verhältnis im Nahrungsmittel dem Verhältnis der Körperproteine des Menschen ist, desto biologisch hochwertiger ist das Protein. Die Biologische Wertigkeit wird auf einer Skala gemessen, auf der das Hühnerei ursprünglich als Referenz angenommen wurde und den Wert 100 erhielt. Durch Kombination unterschiedlicher Nahrungsproteine können aber auch höhere Werte erreicht werden. 

Wieso spielt das eine Rolle? 

Damit der Körper regenerieren und wachsen kann, nutzt er Aminosäuren aus denen er Gewebe regeneriert und aufbaut. Diese Vorgänge können nur durchgeführt werden, sofern genug Aminosäuren zur Verfügung stehen. Fehlt eine einzelne Aminosäure, ist dies solange unkritisch, wie es sich dabei um eine nicht-essentielle Aminosäuren handelt. Mangelt es dagegen auch nur an einer einzigen essentiellen Aminosäure, so kommen diese Aufbauprozesse zum Erliegen, selbst dann, wenn andere Aminosäuren noch in rauen Mengen vorrätig sind. Wachstum und Regeneration wird also nach dem „Minimumgesetz“ immer durch das Vorkommen der knappsten Ressource bestimmt.

Eine einfache Möglichkeit der Verbesserung der biologischen Wertigkeit einer Mahlzeit ist die Zufuhr von essentiellen Aminosäuren.

Wie hoch ist der Proteinbedarf von Veganern?

Jetzt, wo wir den Begriff der Proteinqualität kennengelernt haben, können wir auch den Proteinbedarf bei vegetarischer bzw. veganer Ernährung klären. Proteinzufuhrempfehlungen wurden meist auf Basis von Mischköstlern erstellt. Die Frage ist, ob diese Empfehlungen auch für Vegetarier*innen und Veganer*innen gelten?
Wir wissen, dass nicht nur die Menge von Proteinen eine Rolle spielt, sondern auch deren Qualität (bspw. die biologische Wertigkeit oder der DIAAS (s.u.)). In diesen Bewertungen wird die Qualität von veganen Proteinquellen oft minderwertiger eingestuft als tierische. So sind essentielle Aminosäuren meist in geringeren Mengen und auch in einem weniger ausgewogenen Verhältnis in pflanzlichen Lebensmitteln vorhanden. Die biologische Wertigkeit von pflanzlichen Quellen reicht meist nicht an die Wertigkeit tierischer Quellen heran. Untersuchungen fanden heraus, dass Veganer*innen deshalb etwa 20% mehr Proteine aufnehmen sollten als Mischköstler, um diese Umstände auszugleichen. 

Neben einer guten Vorbereitung, einer sorgfältigen Zubereitung oder der Kombination unterschiedlicher Lebensmittel, kann die Einnahme von zusätzlichen essentiellen Aminosäuren helfen, die biologische Wertigkeit einzelner Mahlzeiten – oder grundsätzlich auch die Tagesbilanz – dahingehend zu verbessern, dass eine Mehraufnahme von Nahrungsproteinen für Veganer gar nicht notwendig wird.

Verzehrempfehlungen sollten jedoch immer im ganzheitlichen Kontext mit dem Ernährungsstatus und Aktivitätsniveau betrachtet und auf die jeweilige Person abgestimmt werden. Im Falle von zugrunde liegenden Grunderkrankungen (in diesem Zusammenhang insbesondere der Nieren) sollte immer zuerst ein Gespräch mit dem behandelnden Arzt/Ärztin geführt werden, bevor eine Umstellung der Ernährungsgewohnheiten vorgenommen wird.

Zusatz für die Wissbegierigen: Der DIAAS-Wert

Die Biologische Wertigkeit berücksichtigt also die Menge und das Verhältnis von essentiellen Aminosäuren in einem Nahrungsmittel und macht damit eine Aussage über die Qualität eines Nahrungsproteins.
Aber nicht nur die Menge der enthaltenen essentiellen Aminosäuren (EAAs) ist wichtig, sondern auch, wie viel hiervon auch tatsächlich verwertet werden kann. 

Hier spielt die biologische Verfügbarkeit die entscheidende Rolle. Sie sagt aus, wie viel von einem Nährstoff denn auch tatsächlich verdaut und absorbiert wird. 

Für Proteine hat sich aus der Verbindung von biologischer Wertigkeit und biologischer Verfügbarkeit ein Maß entwickelt, das sich „Digestible Indispensable Amino Acid Score“ – DIAAS – nennt. Hierbei wird auch das Verhältnis der EAAs berücksichtigt, aber nur noch von denjenigen, die auch tatsächlich verdaubar sind. Die Menge und das Verhältnis dieser essentiellen Aminosäuren werden nun verglichen mit einem Referenzprotein, das als ideal für die menschlichen Bedürfnisse gilt. Ein DIAAS-Wert von 100 entspricht also einer Proteinquelle, die nicht nur alle essentiellen Aminosäuren in ausreichendem Verhältnis enthält, sondern, eine Proteinquelle, die dem Körper alle essentiellen Aminosäuren verfügbar macht. Durch Kombination unterschiedlicher Nahrungsmittel können aber auch Werte von über 100 erreicht werden.
Bei vielen pflanzlichen Proteinquellen ist auch die die biologische Verfügbarkeit schlechter, was ebenfalls zur Empfehlung zur Mehraufnahme von Nahrungsprotein beiträgt.

(Übrigens: Unsere Essential Aminos entsprechen ziemlich genau dem Referenzprotein, welches den Bedarf von Kindern ab 3 Jahren und natürlich Erwachsenen abbildet ;) ).

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